Es gibt zwei Dinge, die mir zum einen in meinem tagtäglichen Leben und zum anderen während meiner Tätigkeit als Hundetrainer begegnen. Diese Dinge stören mich und gelegentlich machen sie mich auch traurig oder wütend – so sehr, dass ich mich dazu entschlossen habe, einen kurzen Beitrag dazu zu verfassen.
Das eine ist folgender Zustand:
Man ist unterwegs, hat wenig Zeit und möchte noch schnell irgendwo in einem Supermarkt etwas einkaufen. Egal, zu welcher Jahres- oder Tageszeit – bei welchem Wetter auch immer – fast immer sieht man irgendwo irgendeinen Hund vor einem Laden sitzen. „Mach schön „Bleib!“… Frauchen/Herrchen muss noch schnell was erledigen…“
Die zweite Situation: Grundgehorsam, Stunde X, Kommando „Bleib!“ „Ja, dann kann ich ihm ja vor dem Bäcker das Kommando geben und brauch ihn nicht mehr anzuleinen…“
Nein, das Kommando „Bleib!“ ist nicht dazu gedacht, dass der Hund innerhalb dieses Kommandos – angeleint oder unangeleint – vor einem Geschäft oder ähnlichem allein gelassen wird.
Ich möchte im Folgenden auch gern erklären, wieso ich persönlich und als Trainer mit den beschriebenen Umständen ein Problem habe. Es ist generell nicht zu empfehlen, Hunde vor Geschäften o.ä. sich selbst zu überlassen. Ob angebunden oder nicht, spielt kaum eine Rolle. Der Hund könnte sich beispielsweise losreißen oder jemand könnte ihn ableinen. Je nach Situation (Straßenverkehr) wird der Hund so zur Gefahr für sich und andere.
Außerdem kommt es immer wieder vor, dass Hunde vor Geschäften gestohlen werden. Erst vor wenigen Wochen hat TASSO in einem Newsletter über einen solchen Fall berichtet (s. auch www.pia-gesucht.de). Die Gründe warum jemand einen Hund stiehlt, können äußerst vielfältig sein.
Tatsache ist, dass kaum jemandem so etwas auffällt, da niemand sich die Mühe macht, zu schauen, welcher angebundene Hund zu wem gehört.
Zudem gibt es nicht eben wenige Menschen, die keine Hunde mögen und mir sind einige Fälle bekannt, wo angebundene Hunde quasi „im Vorbeigehen“ schwer verletzt wurden – innerhalb kürzester Zeit, bei Tageslicht und in belebten Gegenden.
Ich möchte aber auch noch ein wenig aus fachlicher Sicht betrachten, was es für einen Hund bedeutet in solch einer Situation allein gelassen zu werden.
Das Anbinden und Zurücklassen eines Hundes in einer solchen Situation kann sehr beängstigend und verunsichernd wirken. Oft sind Eingangsbereiche von z.B. Supermärkten sehr stark frequentiert. Menschen nehmen oft keine Rücksicht und laufen dicht am Hund vorbei. Dieser kann seinem natürlichen Bedürfnis auszuweichen, gar nicht oder nur sehr unzureichend nachkommen und muss das Eindringen fremder Personen in seine Individualdistanz hinnehmen.
Dazu ist er einer lauten Geräuschkulisse ausgesetzt, etwa durch klappernde Einkaufswagen. Für einen Hund – der, wie allgemein bekannt sein dürfte, über ein deutlich besseres Gehör als wir Menschen verfügt – löst all dies nicht unerheblich Stress aus – und dies oft mehrfach in der Woche.
Bei Hunden in solchen Situationen kann das Gefühl des Ausgeliefert-sein aufkommen, was angesichts der durchaus realistischen Gefahren, nicht unbegründet sein dürfte. Vielen Hunden sieht man dies auch deutlich an. Gerade bei tendenziell eher unsicheren Hunden dürfte das häufige Zurücklassen in solchen Situationen das Vertrauen zum Halter oder z.B. auch sein Selbstvertrauen erschüttern.
Nicht unerheblich ist der Konflikt, der im Hund ausgelöst wird, wenn ich zusätzlich zum Festbinden noch das Kommando „Bleib!“ gebe. Schließlich möchte der Hund „sein“ Kommando befolgen – wenn er es denn positiv erlernt hat – auf der anderen Seite wird er immer auch bedacht sein, aus seiner Sicht aufkommende Konfliktsituationen – z.B. auch durch andere Hunde oder die unausweichliche Nähe zu Fremden – abzumildern und zu beschwichtigen.
Der Hund ist also zwangsweise entweder ungehorsam oder kommt seinem natürlichen, sozialen Bedürfnis nicht nach. Dies ist – aus meiner Sicht – in jedem Fall dem Hund gegenüber unfair.
Daher möchte ich Sie, liebe Leser/Innen, bitten: Lassen Sie ihren Hund in Ruhe zu hause, wenn Sie „nur kurz noch“ einkaufen müssen und nehmen Sie ihn dann mit, wenn auch wirklich Zeit und Raum für einen schönen gemeinsamen Spaziergang ist.
Vielen Dank für’s Lesen,
Boris Boochs